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15.04.22 –
Pressemitteilung
„Uns eint das Ziel und das Interesse, deshalb machen wir es gemeinsam“, erklärten der grüne Landtagsabgeordnete Toni Schuberl und der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler Manfred Eibl die eher ungewöhnliche Konstellation ihrer gemeinsamen Mobilitätskonferenz in Zwiesel.
Wie eine Mobilität in Zukunft auf dem Land aussehen soll, die sowohl klimaneutral als auch bezahlbar ist, war die Frage, die die beiden Abgeordneten mit zahlreichen Experten diskutierten. Gekommen sind hochkarätige Gäste aus verschiedenen Mobilitätssparten: den Busbereich deckten der Logistik- und Busunternehmer Rudi Brunnhölzl sowie Michael Karmainski von der RBO (Regionalbus Ostbayern) ab, Vertreter der Eisenbahn waren Eugen Rubinstein von der Länderbahn, die die Waldbahn betreibt, und Prof. Dr. Thomas Schempf als Vertreter der Ilztalbahn-GmbH, als Experte für Treibstoffe war der Energiehändler Alexander Maier von der Firma Maier-Korduletsch anwesend, der derzeit ein Mobilitätszentrum mit Wasserstofftankstelle und E-Schnellladesäulen am zukünftigen Autobahnkreuz Pocking errichtet. Auch im Publikum waren zahlreiche weitere Experten anwesend wie der ehemalige Landtagsabgeordnete Bernhard Roos vom ACE (Automobilclub Europa), Dr. Wolfgang Schlüter von der Mobilitätsinitiative Gotteszell-Viechtach, Bernd Sluka vom VCD (Verkehrsclub Deutschland), Hans Madl-Deinhart vom Förderverein Ilztalbahn und Arnulf Bayer von der Wanderbahn sowie regionale Kreisräte. Einig waren sich die Gastgeber, dass bis 2040 in Bayern die Klimaneutralität erreicht werden und dabei die Mobilität bezahlbar bleiben muss. Dabei dürfen die einzelnen Verkehrsträger nicht gegeneinander ausgespielt werden, sagte Manfred Eibl, verkehrspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag. Schuberl gab als gemeinsames Ziel aus: „Unser Bus- und Bahnnetz muss am Land so ausgebaut werden, damit eine durchschnittliche Familie aufs Zweitauto verzichten kann.“ Dies sei ein realistisches Ziel, das die Umwelt und den Geldbeutel schone.
Sehr häufig fiel an diesem Nachmittag das Wort „Infrastruktur“. Damit war die Bahn-Infrastruktur gemeint, die tragfähiger werden muss und an der seit Jahrzehnten gespart wurde, zum anderen aber auch der Ausbau der Elektrifizierung sowohl bei der Bahn als auch für E-Autos.
Eugen Rubinstein von der Länderbahn machte klar, dass die Bahn ein Transportmittel für größere Massen und weitere Strecken ist. Im Bayerischen Wald wird dieses Potenzial nicht optimal genutzt, es gibt parallele Buslinien, deren Anschlüsse nicht mit denen der Bahn abgestimmt sind. Es wäre mehr als sinnvoll, den ÖPNV auf die Bahn auszurichten. Ein weiterer wichtiger Punkt für ihn: emissionsfreies Fahren. „Es muss mehr Geld investiert werden, um das Mobilitätsangebot aufrecht zu halten, zumal in Zukunft alle Energieträger mit steigenden Energiekosten rechnen müssen“. Angesichts noch vieler eingleisiger Strecken in Bayern forderte er: „Die Infrastruktur muss tragfähiger werden!“
Auch für Güterverkehr ist die Bahn das Transportmittel der Wahl. Zudem bringt das eine bessere finanzielle Ausstattung für die Bahnlinien.
Mobilität ohne Grenzen!
Der Vertreter des RBO, Michael Karmainski, bezeichnete als wichtigsten Punkt für einen zukunftsfähigen ÖPNV ein gutes Angebot für die Kunden, wobei die Schiene und Bus gleichwertig gebraucht werde. Seine Vorstellung ist eine mobile Zukunft möglichst ohne Grenzen, mit preisgünstigen Angeboten und für den Endverbraucher durch digitale Lösungen einfach zu nutzen, und damit die Fläche optimal erschließt. Zwar sei es gut, dass endlich Verkehrsverbünde geschaffen würden, für die Gäste dürften die Verbundgrenzen jedoch nicht spürbar sein. „Innovativer denken!“ ist sein Wunsch, um den unbefriedigenden Status-quo zu überwinden.
Alexander Maier: „Energiewende ist ein Teamsport“ lobte er die beiden Politiker für diese gemeinsame Veranstaltung. Für die individuelle Mobilität gebe es eine große Auswahl, aber in der Nutzfahrzeug-Branche herrsche ein knallharter Wettbewerb. Die so notwendigen erneuerbaren Energien stünden nicht jederzeit ausreichend zur Verfügung. Es gelte auch die Akzeptanz der Bürger, was z. B. die Sichtbarkeit von Windrädern in touristischen Gegenden, und die Möglichkeiten der Entscheider in den Kommunen in Einklang zu bringen.
Nach seiner Einschätzung zur Elektromobilität wird nur jedes 5. Auto öffentliche Ladestationen nutzen, da die allermeisten Strecken so kurz seien, dass die Autos zu Hause geladen werden. Die Ladesäulen müssten dann idealerweise in 15-20 Minuten das Auto schnellladen. Dieser Standard benötigt allerdings Investitionskosten von 300.000€ aufwärts und ausreichende Stromnetzkapazität.
Vorschlag : Kostenfreier Jedermann-Verkehr
Rudi Brunnhölzl brachte sein Unverständnis zum Ausdruck, dass es viele Jahre nicht möglich war, den Schulbusverkehr mit dem allgemeinen ÖPNV zu verknüpfen. Auch Umsteigen im niederbayerischen Busverkehr ist durch diverse Kartensysteme kompliziert und unüberschaubar, er schlägt vor: „Die 8-10 % Jedermann-Verkehre sollen kostenfrei werden.“ Wer also in den Schulbus mit einsteigt, ohne Schüler zu sein, sollte nichts zahlen müssen, da der Bus ja sowieso fahre. Die Kosten für Fahrkartenautomaten und Kontrolle übersteigen die Einnahmen.
Er gab auch zu bedenken, dass Rufbusse zwar vorhanden sind, aber vor allem die einheimische Bevölkerung diese Angebote nicht wahrnimmt, sondern sich bevorzugt in das Auto setzt. Urlauber, Berufstätige aus anderen Regionen aber auch Asylbewerber dagegen würden solche Angebote nutzen. Hier sei ein Bewusstseinswandel nötig.
Prof. Dr. Schempf führte an, dass die Infrastruktur der Bahnstrecken seit Jahrzehnten vernachlässigt ist, die Elektrifizierung liegt unter EU-Durchschnitt und im Bayerwald ist z. B. keine einzige Strecke elektrifiziert. Bahnhöfe werden mal ausgebaut, mal zurückgebaut, sein Fazit dazu: „Eine Resilienz des Systems ist nicht gegeben.“ Sobald eine Störung eintritt, könne diese nicht mehr ausgeglichen werden und die Verspätungen ziehen sich den ganzen Tag durch. Wichtig für Niederbayern sei der zweigleisige Ausbau der Strecke von Plattling nach Landshut aber auch der weitere Ausbau zwischen Freising und München, da Verspätungen häufig dort auftreten.
Öffentlicher Verkehr muss aus einem Guss sein, aber bei uns ist kein Gesamtsystem vorhanden. Was fehlt ist: ein aufeinander abgestimmtes Angebot, eine Verlässlichkeit der Verknüpfung und ein attraktiver Preis.
Zuletzt warb er dafür, dass alle Mobilitätsteilnehmer ihr Verhalten überdenken müssten, alle Verkehre brauchten ein anderes Image: vom Fußgänger bis zu Bus und Bahn.
Die Anwesenden waren sich einig, nicht Auto gegen Bus auszuspielen. Toni Schuberls Vision ist: „Wir stärken das System so, dass keine Durchschnitts-Familie mehr ein Zweitauto braucht.“ Regelmäßige und planbare Fahrten sollen auch auf dem Land mit dem ÖPNV alltagstauglich sein.
Eine App für alle Funktionen!
Einig waren sich die Experten auch, dass bisher ein umfassendes Fahrgast-Info-System fehlt. Der Wunsch war: „…eine App, mit der man mit einem Klick den Preis der gesamten Fahrt bezahlt.“ Tarife in einem integrierten Verkehrskonzept müssen größer gedacht werden: idealerweise von Haidmühle nach Hamburg mit einem Ticket. Man müsse wegkommen vom Kirchturm-Denken der Vergangenheit und Landkreisgrenzen überwinden.
Manfred Eibl gab zu bedenken, dass für einen wünschenswerten großflächigen und zügigen Ausbau von Schnellladesäulen für die Elektromobilität riesige Leitungssysteme erforderlich sind, was beim momentanen Stand der mangelnden Elektro-Infrastruktur vielerorts noch nicht möglich ist. Es muss noch viel investiert und gegraben werden, bevor viele Ladesäulen Wirklichkeit werden können.
Die Politik muss hier die Anreize schaffen für langfristig kalkulierende Unternehmer. Ein Anreiz, der bereits geschaffen wurde, ist der Erwerb von Treibhausgas-Emissionsrechten für Unternehmen, die Ladesäulen für Mitarbeiter mit Strom aus eigenen Solarmodulen zur Verfügung stellen.
Vor Ort gilt es auch, pragmatische Lösungen zu suchen und zu finden, damit etwa der erzeugte Strom der Solaranlagen für die Autos der Nachbarschaft genutzt werden kann.
Beim Ausbau des Stromnetzes brauche es einen Masterplan für ganz Bayern, bei dem nicht jede Kommune einzeln mit dem Energieanbieter verhandeln müsse. Hier sollte man aus den Fehlern beim Mobilfunknetz lernen.
Ein wichtiges Stichwort kam passend zum Ende der Diskussionen: „die letzte Meile“. Vom Zielbahnhof oder der Bushaltestelle kann man ÖPNV-Taxis einsetzen, aber auch Fahrradwege und -stellplätze für Fahrradpendler wie auch gute Fußwege müssen deutlicher mitgedacht und berücksichtigt werden.
Fazit:
Eine klimaneutrale und bezahlbare Mobilität auf dem Land ist möglich aber eine Herausforderung, die nun angegangen werden müsse. Größere Investitionen sind der Ausbau einer zukunftsfähigen Bahninfrastruktur, der Ausbau der Stromnetze und mehr vor Ort hergestellte erneuerbare Energie.
Teilnehmer-Kasten:
Manfred Eibl, Abgeordneter und verkehrspolitischer Sprecher der Freien Wähler
Toni Schuberl Abgeordneter der Grünen
Rudi Brunnhölzl, Logistik- und Busunternehmer
Alexander Maier von der Fa. Maier-Korduletsch, Energiegewerbe Passau
Michael Karmainski RBO (Regionalbus Ostbayern)
Eugen Rubinstein von der Länderbahn
Prof. Dr. Thomas Schempf Vertreter der Ilztalbahn-GmbH
Als Podiumsteilnehmer angefragt waren auch das Staatliche Bauamt Passau, ÖPNV-Verantwortliche des Landkreises Regen und die Deutsche Bahn. Eingeladen waren auch die Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen.
Fachleute unter den Gästen:
Bernhard Roos vom ACE (Automobilclub Europa)
Dr. Wolfgang Schlüter, Mobilitätsinitiative Gotteszell-Viechtach
Arnulf Bayer von der Wanderbahn, Viechtach
Bernd Sluka vom VCD (Verkehrsclub Deutschland), Passau
Hans Madl-Deinhart Förderverein Ilztalbahn, Waldkirchen.
Einzelfotos: Hermann Schoyerer
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